ihr.

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Dienstag, 19. Juli 2011

der rest ist rülps.

„Was sollen wir jetzt mit ihm machen?“, fragte das kulleräugige Frollein Keks, rümpfte die Krümelnase und kniff die Beute in den Arm. Die rief „Aua!“ und „Warum tut ihr das?“

„Wir verhauen es!“ sagte Mimi und fletschte die Zähne wie ein Straßenköter.

„Huch, lass das mit dem Zähnefletschen, Mimi!“ Das war die Dame Miezmiezmiez, die eine Freundin explizit zarter Ästhetik war und dem allzu Groben nichts abgewinnen konnte.

„Wir berülpsen es, bis es ohnmächtig wird!“, rief das Bardämchen Liza Lasterhaft und leckte mit der Zunge den letzten Tropfen Rum aus dem Glas. Dann fügte das Dämchen mit erhobenem Zeigefinger hinzu: „Hicks!“

Frollein Keks, die Dame Miezmiezmiez und Mimi vom Hafen sahen sich an. „Das ist es!“, jubelten sie, nahmen jede einen tiefen Schluck aus der Rumflasche, umstellten das Püppchen, auf das sie Jagd gemacht hatten, weil es frech war und das nun an eine Straßenlaterne gefesselt vor ihnen stand, bitterlich weinte und um Gnade flehte, klopften sich gegenseitig feste auf die Brust und…

Der Rest war Rülps.

Dienstag, 12. Juli 2011

die liebe ist vermutlich eine ausgeburt der hölle.

Mimi und die Liebe waren sich seit jeher spinnefeind. Die Liebe dachte, dass Mimi einen Sockenschuss und widerwärtige Angewohnheiten hatte, wie anderen Leuten die Hühnerknorpel vom Teller zu klauen und laut knurpsend herunterzuschlingen. Mimi fragte sich, warum die Liebe stets dieses hässliche Halsband aus Romantik trug. "Ohne wäre sie gar nicht so schäbig", dachte sie manchmal, behielt das aber für sich.
Die Visage der Liebe war eine Fratze, die nur aus der Entfernung reizvoll schien. Sie war zugespachtelt mit parfümiertem Talkum und Theaterschminke, Wangen und Lippen waren kirschrot geschminkt. Ihren Haaransatz hatte die Liebe gebleicht, damit die Stirn höher und vornehmer schien als sie eigentlich war. Überhaupt war die Liebe eine ziemliche Mogelpackung. Aber sie duftete gut, wie ein Abend im Varieté, nach Aufgeregtheit und Herrenparfum und gelackten Damenkrallen. Ihre Ausdrucksweise war geziert, doch verstand sie es, sich den Situationen und den Menschen, die sie umgaben, anzupassen. Im Sommer trug sie flatterige Flatterkleider, löste die langen Locken und rannte wie blöde durch Felder voller Kornblumen und von Mähdreschern dahin gemetzelter Rehkitzleichen. Sie fraß Oliven und Wassermelone mit den Händen, gierig, kicherte wie das Mädchen, das sie seit Jahrhunderten nicht mehr war und ging Mimi noch mehr auf den Keks, als sie es den Rest des Jahres schon tat. Im Herbst und Winter ging es dann, dann besann sich die Liebe gern auf die Kunst, die sie am besten beherrschte: das Drama.
Mimi hörte die Liebe lieber heulen und fluchen als blöde kichern. Sie hasste es, wenn das Ding mit der Fratze und dem Halsband glücklich war. Dann war es unerträglich. Aber vielleicht wurde man automatisch so, wenn alle Welt täglich Lieder über einen sang und Gedichte schrieb, in denen es hieß, dass die Liebe das Einzige und Schönste im Leben sei und dass man ohne ihre Gunst sterben müsse.
Die Liebe hatte anfangs nicht verstanden, warum Mimi ihr gegenüber so auf der Hut war. Sie nahm doch jeden Dahergelaufenen mit in ihr Boudoir, trug ihr Herz auf der Zunge und zeigte es ungefragt jedem und zu jeder Zeit. Nur sie, die Liebe, konnte keinen Stich machen. Seltsam. Sie trug doch stets ihr hübsches Halsband aus Romantik, das gefiel den Menschen gemeinhin, alle wollten es anfassen und damit spielen, besonders die Mädchen.
Dabei hätte sie sich so gern mit der Hafenmadame in ihren Roben aus Schlick und Algen geschmückt. Nicht, dass sie Mimi sonderlich sympathisch fand. Aber sie war neu im Hafen, die Matrosen sprachen über sie, und mit ihren Tätowierungen und den Seerosen im Haar machte sie was her. Also versuchte sie, das Madamchen als Freundin zu gewinnen. Frauen machen das für gewöhnlich so. Sie hatte ihr Doppel-Rendezvous mit Galanen in Anzügen vorgeschlagen, dann aber, als sie merkte, dass Mimi das Verwegene und Derbe vorzog, Piraten mit Bärten in ihr Leben geschubst. Die Liebe wollte ihr Geschenke machen, Freundinnen machten das doch so, oder? Aber es brachte alles nichts. Mit jeder neuen Liebelei wurde Mimi nur bockiger, bis sie die Liebe eines Tages anschrie, sie solle sich gefälligst verpissen, mit ihrem „Für-immer“-Rotz und den Kerzen, an denen man sich doch nur die Pfoten verbrannte. Und sie, Mimi, keifte sie, die Liebe an, sie, die Liebe, sei schädlich für Mimis Gesundheit. Das Herz sei ihr wundgeklopft, ihr Stolz wie weggepustet und ihr Kopf nur noch ein nasses Brötchen, zu nichts mehr zu gebrauchen. Da gab die Liebe auf. Fortan wünschten sich die beiden noch „Guten Tag“ und „Guten Weg“, mehr zu sagen gab es nicht.
Eines Abends, als die Liebe auf dem Weg in die Stadt am Haus der Hafenmadame vorbeikam, sah sie diese mit einem Gesicht wie sieben Tage Regenwetter im Blumenbeet sitzen.
„Was machst du da? Blumen düngen?“ Die Liebe lachte laut und ordinär,
Aha, da haben wir’s ja wieder, dachte Mimi. In Gesellschaft das feine Dämchen markieren, dabei hat dieses überschminkte Ding Manieren wie ein Marktweib! Und immer dieses Halsband aus Romantik! So was Hässliches!
„Ich möchte allein sein, also verzieh dich!“
„Ach Mimi, du störrisches Fräulein. Was ist denn nur los?“, fragte die Liebe und hockte sich neben Mimi ins Blumenbeet. Die aber schüttelte nur den Kopf und grummelte „Nüchts.“
Hm. Die Liebe ahnte, woher der traurige Ausdruck auf dem Gesicht der Hafenmadame rührte. „Dir fehlt Liebe, Mimi!“
„Jetzt pass mal auf!“ Wie ein Sumo-Ringer machte Mimi einen Satz zur Seite, die Hände auf die Knie gestemmt. „Ich fand dich mal ganz nett. Du riechst gut. Aber ich kann bestens ohne dich leben, du hässliche Schnalle! Es geht mir auch ohne Liebe ausgezeichnet.“
„Hässlich? Es ist das romantische Halsband, oder? Jetzt hab ich’s: Du kannst mit Romantik nichts anfangen! Warte, ich mach es ab, kein Problem!“ Dann löste die Liebe umständlich den Verschluss, nahm das Band, das ganz rosa war, in ihre Hände und legte es zu Mimis Füßen. Sogleich häufte die Madame Erde über das Geschmeide, das auf dem Hals der Liebe einen käseweißen Ring hinterlassen hatte. Als es ganz unter einem Berg Torf verschwunden war, betrachtete Mimi die Liebe. Die war immer noch unschön und zu stark geschminkt, aber sie wirkte irgendwie… nun… cooler. Wie jemand, mit dem Mimi Freundschaft schließen könnte. „Ich habe noch ein Bier im Kühlschrank“, flüsterte die Madame kleinlaut. „Wollen wir uns das teilen?“
„Nö, ich mag kein Bier“, flötete die Liebe, gab Mimi eine Kopfnuss und hüpfte lachend von dannen.
 
 

Sonntag, 10. Juli 2011

der growlfisch manowar und das großvaterpony.

In Mimis Garten gab es einen Teich. Klein, nur wenig größer als eine Pfütze, dunkel und selbst im Sommer eisekalt. Drei Fische wohnten dort, die hießen Frau Hedwig, Herr Blechschild und Manowar. Und obwohl Manowar stets nur über seine Schuppenverflechtungen sprach, Herr Blechschild ein chronischer Nörgler und Frau Hedwig ein ausgesprochenes Plappermaul war, genoss Mimi die gelegentlichen Konversationen mit ihnen. Manchmal gesellte sich Herr Katzenmann dazu. Mimi hatte ihn vor langer Zeit mal gefragt, warum er niemals Jagd auf das Fischtrio gemacht hatte. Der alte Kater hatte sie angesehen, auf den Boden gespuckt und gefaucht: „Nur weil ich eine Katze bin, fresse ich nicht jeden Dreck.“

„Hallo ihr drei“, begrüßte Mimi an einem Sonntag im Sommer ihre drei Nachbarn mit den Glitschbäuchen und hängte ihre Beine in den Teich.

„Hallo Mimi“, growlte es da aus dem Dunkel. Das war Manowar.

„Ach, bist du wieder zurück?“ fragte Frau Hedwig.

„Ja, ach, Frau Hedwig, es war wundervoll!“

Für ein paar Tage war Mimi zu Gast in der großen Stadt gewesen, um dort den Matrosen zu besuchen, der ihr nicht mehr aus dem Kopf ging. Also hatte sie ihre schönsten Kleider und Seidenstrümpfe und Blumen fürs Haar in den alten Koffer gepackt und sich auf den Weg gemacht.

Der Matrose war noch schöner, als sie ihn in Erinnerung hatte. Sie hatte jede Minute mit ihm genossen, seine Zahnlücke begafft wie ein hungriger Affe eine Banane, sie hatten sich geküsst, Mann und Frau gespielt, getrunken und Vollbäder in himbeeriger Dekadenz genommen, und einmal hatte er sie sogar auf den Jahrmarkt ausgeführt und sie im Autoscooter herumgefahren, bis ihr kotzübel wurde. Mimi lächelte. Ja, das waren gar großartige Tage gewesen.


„Laaangweilig!“ Herr Blechschild rumste mit seinem Glitschbauch gegen Mimis Schienbein. Das sollte wohl eine Aufforderung sein, Herr Blechschild war ganz versessen auf Sex und Crime.

„Herr Blechschild!“, keifte Mimi, „Contenance, du alte Gräte!“

Blubb-blubb-blubberte es da aus dem Teich.

„Dass die letzten Tage voller Liebe und nach Kuchen duftendem Glück für mich waren scheint euch also nicht zu interessieren.“

„Nein.“

„Na gut. Dann erzähle ich euch von der Mistress und dem Großvaterpony.“ Die Hafenmadame streckte sich und holte tief Luft.

„Ich war zu Gast auf einem Reiterhof. Der war sehr besonders, weil es dort gar keine Pferde gab. Die Stallungen lagen unter der Erde und statt Karotten und Heu gab es dort Martini und Wein, der die Lippen bläulich färbt. Geritten wurde dennoch. Auf alten Herren und blondierten Frauen mit großen Brüsten. Ein reizvoller Anblick.“ Ein Seufzen durchfuhr die Brust der Madame. „Am meisten gefiel mir ein weißmähniges Großväterchenpony, das vor seiner Reiterin ein Tänzchen vollführte. Es zuckte und trippelte und schien auf ein Zuckerstückchen zu hoffen. Doch wollte es seiner Herrin nicht so recht gefallen. Die schimpfte laut und sagte böse Dinge, die das Pony aber nur noch mehr anstachelten und beflügelten. Für einen Moment hätte ich schwören können, dass das Weißmähnen-Pony schwebte!“

„Tat es das denn?“ Herr Blechschilds Maul klappte vor Spannung auf und zu.

„Nein, tat es nicht“, gluckste da Frau Hedwig und zwinkerte Mimi zu. Frau Hedwig war einst eine berühmte Domina gewesen, hatte sich aber vor drei Jahren aufs Altenteil zurückgezogen. „Großvater-Ponys tanzen bekanntlich besonders possierlich, wenn man ihnen eine gute Ladung Reizstrom in die Hufe jagt.“

„Ganz genau, Frau Hedwig, Sie grausame Kennerin Ihres Fachs!“ Mimi kicherte und hätte beinahe das Knurren ihres Bauches überhört. Aber eben nur beinahe. Fisch. Sie verspürte Appetit auf Fisch. Dann verabschiedete sie sich von ihrer Hörerschaft, platschte auf nassen Sohlen in die Vorratskammer, griff sich eine Dose Hering in Blut-Tomaten-Soße aus dem Regal und verspeiste den Inhalt auf einer Scheibe Toast.

ich.

Mein Bild
Madame Mimi vom Hafen und ihre in Rum getränkten Lügengeschichten.