Tupf.
Tupf. Tupf. Mimi vom Hafen saß in ihrem Blumenbeet und betupfte mit Hingabe und
viel weißer Farbe die purpurnen Bartnelken, die da so aus der Erde sprossen.
Das sieht gleich viel freundlicher aus!, frohlockte die Madame und betupfte
gleich noch sich selbst, genauer gesagt die bunten Arme.
Da
maunzte es aus dem Hinterhalt. Herr Katzenmann, Mimis miauender Mitbewohner und
Kater von Welt, saß in der offenen Tür und beobachtete die Freundin. „Weißt du,
Mimi“, schnurrte er, „dass du nicht alle Tassen im Schrank hast, weiß ich ja
und es stört mich nicht mal. Aber muss es denn jeder wissen? Komm doch lieber
ins Haus und betupfe den Küchentisch.“
„Seit
wann interessiert dich denn die Meinung anderer, Herr Katzenmann?“ fragte Mimi
und betupfte ihre Nasenspitze. Tupf-tupf.
„Seitdem
ich der hübschen Glücksmieze des Bäckers verfallen bin. Die findet dich
reichlich skurril und mich darum gleich mit!“
„Ach,
weißt du. Ich gebe einen Fffffffffick (sie zog das F in die Länge wie altes
Kaugummi und fletschte dabei die Zähne) auf solches Geschwätz. Ist doch wahr!“
Damit
griff Mimi nach Farbeimer und Pinsel, erhob sich und stapfte am konsterniert
dreinschauenden Kater vorbei zurück ins Haus. Dort schmiss sie alles Farbige in
die fette Ecke und sich selbst aufs Bett. Insgeheim ärgerte es sie doch, was
die Leute über sie dachten. Sie selbst fand sich häufig ganz hinreißend,
liebreizend und damenhaft, wie sie sich in Gesellschaft gern gab. Warum
sprachen die Leute nicht mal darüber?
Nun
gut, sie neigte bei Vollmond und an regnerischen Dienstagen zum Jähzorn. Dann
warf sie mit Tassen und Flaschen um sich, brüllte Obszönitäten und trat jedem
auf die Füße, der sich nicht schnell genug in Sicherheit brachte. Vielleicht
hatte sie auch die eine oder andere Eigenart, die andere befremdlich finden
mochten. Zum Beispiel sprach sie mit ihrem Haus. Aber das antwortete ja auch
immer wieder, warum also nicht? Menschen machten ihr dagegen Angst, und
manchmal hasste sie sie sogar. Dann doch lieber schweigsame Bartnelken
betupfen!
Die
Hafenbewohner waren doch selbst alle verrückt und konnten überhaupt nicht
beurteilen, ob ein anderer noch verrückter war als sie selbst oder doch weniger
oder vielleicht sogar gar nicht oder oder oder...
An
diesem Punkt verknoteten sich Mimis Gedanken zu einem großen Knäuel. Das war
ein unangenehmes Gefühl, denn das Verknoten ziepte gar doll hinter den Ohren. „Aua
aua!“, machte da die Madame und steckte sich rechts und links je einen Finger
ins Ohr. Tiefer, immer tiefer bohrte sie und hoffte, so an das Gedankenknäuel
heranzukommen und es entwirren zu können. Das war schwieriger als gedacht, doch
gab Mimi nicht auf und puhlte weiter, bis sie das Wirrwarr im Kopf erreicht und
entknotet hatte. „Au fein!“ rief sie und zog sich den einstigen
Gedankenklumpatsch als langen roten Faden aus dem linken Ohr.
Herr
Katzenmann saß unterdessen auf der Fensterbank, betrachtete das Gepuhle und
Geziehe, schüttelte den Kopf und war froh, dass außer ihm niemand wusste, wie
schlimm es um Mimis Verrücktheit wirklich stand. Mit einem Satz sprang er auf
das Bett der Madame, die vor Anstrengung eingeschlafen war, leckte die weiße Betupfungsfarbe
von ihren Armen und der Nasenspitze und beschloss, einen Abendkurs in Psychologie zu belegen.