ihr.

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Freitag, 15. April 2011

mari dalors nase.

Für Mimi waren Nasen immer schon wichtig gewesen. Vielleicht weil Gerüche und Düfte in ihrem Leben so eine große Rolle spielten. Ihre Augen waren nicht besonders gut und die Ohren so schlecht wie sie winzig waren. Auch ihr Gedächtnis war mäßig. Sich Gesichter oder Namen zu merken… ach herrje!  Aber nie vergaß Mimi, wie etwas oder jemand roch. Ihr Liebstes war es, mit gekräuselter Nase im Theater zu sitzen und zu schnüffeln. Dort roch es am besten auf der Welt.
Irgendwann war es ihr zur Gewohnheit geworden, auf die Nasen der anderen zu achten, ob die sich auch kräuselten oder sich rümpften, ob sie sich beim Sprechen mitbewegten oder steif herumstanden. „Ich habe wohl eine Art nasalen Fetisch“, dachte sich Mimi und fand das wahnsinnig exotisch.

Dieses Mädchen, das gerade an ihr vorbeigelaufen war, hatte die perfekteste Nase, die Mimi je untergekommen war. Sie war kurz und gerade, klein und dezent. Sehr unaufdringlich, und eigentlich fiel sie nur dadurch auf, dass sie so perfekt in dieses Puppengesicht passte. Es war eine Puppennase.

„Hallo Puppe, wart doch kurz!“, rief Mimi und lief dem Mädchen nach.

„Hallo. Ja bitte?“

„Ich wollte nur mal einen Blick auf deine Nase werfen, die ist ja wirklich ganz exquisit!“

„Oh, vielen Dank!“ Die Puppe kicherte.

Mimi kicherte auch und betrachtete die Fremde. Die passte aber mal so gar nicht in den Hafen. Während die Matrosen in ihren speckigen, ausgeblichenen Hosen und fleckigen Hemden herumliefen und die Mädchen von der Spätschicht Uraltkleidchen zur zerschlissenen Stola trugen, war die Puppe ganz in pastellfarbenen Chic gekleidet. Ihre Puppenfüße steckten in Männerschuhen, die zu groß waren und auf dem Kopf trug sie einen schwarzen Turban spazieren. Gewagt, dachte Mimi, und hätte sie eine Zahnlücke gehabt, hätte sie bewundernd hindurch gepfiffen.

„Wie heißt du, Püppchen? Und woher kommst du? Aus dem Hafen doch ganz sicher nicht.“

„Mari Dalor heiße ich“, sagte die Puppe. „Ich komme aus der Stadt und bin eine Modebeauftragte, Trends aufspüren ist mein Metier.“

„Mit so etwas kann man Geld verdienen?“

„Ja, sehr gut sogar. Ich bin so etwas wie ein Spürhund für die Modemacher.“

Die Puppenaugen blitzten und blinkten wie die Leuchtreklame vom Puff um die Ecke, und Mimi dachte, dass die Bezeichnung Spürhund so gar nicht zu diesem feinen Näschen passen wollte.

„Ich glaube, dass das Maritime bald wiederkommt, Streifen, Schlaghosen, viel Weiß, Blau, etwas Rot und so. Da wollte ich mich einmal vor Ort umschauen, wegen der Authentizität und dem ganzen Käse. Und du? Wer und was bist du?“

„Mein Name ist Mimi vom Hafen und ich bin… hm…“, Mimi räusperte sich, „… ich bin eine Nasenbeauftragte.“

Dann lachten beide und der Madame fiel auf, dass das Püppchen nach Abendsonne und Avantgarde duftete und das war fast noch schöner als seine sehr unaufdringlich perfekte Nase.


Die Puppe aus der Stadt, fotografiert von Fräulein valeska soel.


3 Kommentare:

  1. Potzblitz! Wahrhaftig, eine Puppe.

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  2. sehr schön geschrieben! gefällt mir :)

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  3. Wie immer: Leicht und locker aus der Hüfte. Und das so ganz nebenher. Ich möchte gerne eine Reihe aus dem Hafen. Lauter schöne kleine Kurzgeschichten. Aus Mimis Welt. Das wäre schön.

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ich.

Mein Bild
Madame Mimi vom Hafen und ihre in Rum getränkten Lügengeschichten.