Die Regentropfen hämmerten wie blöde gegen die Fensterscheibe. Auf die Fensterbank gekauert sah Mimi dem tropfenden Treiben zu. Sie hatte schlechte Laune. Warum, wusste sie nicht so genau, vielleicht, weil es so bitterkalt war, dass ihre Zähne klapperten. Da draußen war ein schöner Radau. Die Menschen waren aus ihren Häusern in den Regen hinaus gestürmt, in den Händen dicke Stücke Seife und Bürsten. „Was machen diese Verrückten denn da?“, fragte sie sich. Ach herrje, die waren ja alle nackt!
Mit einem Satz sprang Mimi von der Fensterbank, riss die Haustür auf und stolperte ins Nasse. Da stand ein Dutzend Männer und Frauen, lachend, singend, schrubbend. Tropfen platschten auf ihre Gesichter, die sie dem Himmel zugewandt hatten. Mit den Bürsten malträtierten sie ihre Leiber, die schon ganz rot und zerkratzt waren, es roch nach Kernseife.
„Hee, ihr nackten Wahnsinnigen! Was macht ihr denn da?“ Mimi wischte sich den Regen aus dem Gesicht, er rann über ihre Wimpern, die Wangen hinab, in ihr Kleid hinein. Sie schüttelte sich, morgen würde sie krank sein, ihre Lunge würde sich entzünden und wund werden und sie, Mimi, würde vermutlich sterben. Dennoch musste sie erfahren, was hier geschah.
Ein fetter Mann mit Besoffski-Nase drehte sich zur Madame um und rief „Heute ist doch Waschtag!“
„Waschtag? Könnt ihr das nicht in euren Häusern machen? Das ist nicht unbedingt ein schöner Anblick, mein Herr, so viel faltige Nacktheit vor meinem Fenster! Das müssen Sie einsehen!“
„Ich sehe, Sie scheinen neu im Hafen zu sein, Madame. Einmal im Jahr treibt es uns hinaus in den Sommerregen, auf dass er uns von unseren Sünden reinwasche.“
"Das ist mir neu. Ich kenne wohl den Brauch, sich in den Mairegen zu stellen, der streckt nämlich und lässt kleine Menschen wachsen…"
"Ein hervorragender Gedanke!", rief da eine Frau, die Mimi nur bis zum Bauchnabel reichte.
"... aber sich im Sommerplätscher die Sünden abzuschrubben? Das ist doch wirklich eine Schnapsidee!"
"Aber höchst wirksam. Schauen Sie sich doch mal um, Madame!", sagte da der beleibte Herr und machte eine ausladende Bewegung mit seiner Speckhand.
Und da fiel es Mimi auf. Die Straße war überschwemmt mit einem Film aus purpurnem Glitsch. Der floss aus den Poren der Männer und Frauen hinaus, strömte an Armen und Beinen herab, über die Füße, auf den Asphalt. Mimis Kiefer musste vor Schreck heruntergeklappt sein, das bemerkte sie, als der kalte Wind sie, durch die Schneidezähne hindurch pfeifend, in die Zunge zwickte. An Zuklappen war jedoch nicht zu denken. Da stand sie nun, fröstelnd und mit offenem Mund und Glotzaugen, die schwarz verschmiert von der zerlaufenen Wimperntusche waren, durchweicht vom dem, das aus den Wolken über ihr heraustropfte.
Mit einem Satz sprang Mimi von der Fensterbank, riss die Haustür auf und stolperte ins Nasse. Da stand ein Dutzend Männer und Frauen, lachend, singend, schrubbend. Tropfen platschten auf ihre Gesichter, die sie dem Himmel zugewandt hatten. Mit den Bürsten malträtierten sie ihre Leiber, die schon ganz rot und zerkratzt waren, es roch nach Kernseife.
„Hee, ihr nackten Wahnsinnigen! Was macht ihr denn da?“ Mimi wischte sich den Regen aus dem Gesicht, er rann über ihre Wimpern, die Wangen hinab, in ihr Kleid hinein. Sie schüttelte sich, morgen würde sie krank sein, ihre Lunge würde sich entzünden und wund werden und sie, Mimi, würde vermutlich sterben. Dennoch musste sie erfahren, was hier geschah.
Ein fetter Mann mit Besoffski-Nase drehte sich zur Madame um und rief „Heute ist doch Waschtag!“
„Waschtag? Könnt ihr das nicht in euren Häusern machen? Das ist nicht unbedingt ein schöner Anblick, mein Herr, so viel faltige Nacktheit vor meinem Fenster! Das müssen Sie einsehen!“
„Ich sehe, Sie scheinen neu im Hafen zu sein, Madame. Einmal im Jahr treibt es uns hinaus in den Sommerregen, auf dass er uns von unseren Sünden reinwasche.“
"Das ist mir neu. Ich kenne wohl den Brauch, sich in den Mairegen zu stellen, der streckt nämlich und lässt kleine Menschen wachsen…"
"Ein hervorragender Gedanke!", rief da eine Frau, die Mimi nur bis zum Bauchnabel reichte.
"... aber sich im Sommerplätscher die Sünden abzuschrubben? Das ist doch wirklich eine Schnapsidee!"
"Aber höchst wirksam. Schauen Sie sich doch mal um, Madame!", sagte da der beleibte Herr und machte eine ausladende Bewegung mit seiner Speckhand.
Und da fiel es Mimi auf. Die Straße war überschwemmt mit einem Film aus purpurnem Glitsch. Der floss aus den Poren der Männer und Frauen hinaus, strömte an Armen und Beinen herab, über die Füße, auf den Asphalt. Mimis Kiefer musste vor Schreck heruntergeklappt sein, das bemerkte sie, als der kalte Wind sie, durch die Schneidezähne hindurch pfeifend, in die Zunge zwickte. An Zuklappen war jedoch nicht zu denken. Da stand sie nun, fröstelnd und mit offenem Mund und Glotzaugen, die schwarz verschmiert von der zerlaufenen Wimperntusche waren, durchweicht vom dem, das aus den Wolken über ihr heraustropfte.
Die Männer und Frauen, bei denen es sich ausgeglitscht hatte, sahen schrecklich aus, fand Mimi. Ihre Haut war zwar wunderschön weiß und rein, gleichzeitig aber auch ganz matt und stumpf, kein Glanz war mehr da.
Wie traurig, dachte die platschnasse Hafenmadame. Das passiert also, wenn man sich im Sommerregen von seinen Sünden reinwäscht. Man verwandelt sich in einen stumpfgeschrubbten Klumpen. Verständnislos schüttelte sie den Kopf. Dann schlurfte sie zurück in ihr Haus und zog dabei eine Spur aus purpurnem Glitschregen hinter sich her. Es wollte ihr einfach nicht in den Kopf, warum die Menschen das taten. Ein Leben ohne Sünden, ohne Fehler, Trägheit und Schlecht-Sein erschien ihr so trostlos, dass sie den Gedanken daran kaum ertragen konnte. Dass in diesem Moment ein Gewitter aufzog, verstärkte dieses Gefühl nur noch.
Mit einem Seufzer öffnete sie die Tür zum Badezimmer. Sie schlüpfte aus Kleid und Hemdchen, schmiss die Herrenunterhose, die sie trug und die eine Trophäe der vorletzten Nacht war, ins Waschbecken und ließ Wasser in den Badebottich ein. Und während draußen irgendwo ein Blitz einschlug, stand Mimi vor dem Regal, auf dem sie Seifen und Badezusätze aufbewahrte.
„Ich möchte nie im Leben ein stumpfer Klumpen werden!“, dachte sie, stemmte die linke Hand in die Hüfte und griff nach einem Fläschchen, auf dessen Bauch in verschnörkelten Lettern geschrieben stand: „Dem Laster verfallen“. Etwas weiter unten waren die Ingredienzien aufgeführt: „Hochmut, Habgier, Wolllust, Zorn, Maßlosigkeit, Missgunst und Trägheit des Herzens“. Und, als letzte Zutat: „Lila Lebensmittelfarbe“. Noch etwas weiter unten stand: „Dosierung: 2 Esslöffel auf einen Bottich Wasser. Achtung: Zu viel Badezusatz kann eine Verduselung hervorrufen.“
„Genau das Richtige!“, befand die Madame, öffnete das Fläschchen und goss es bis zum letzten lila Tropfen ins Badewasser. Zwei Esslöffel! Püh! Sie war doch kein Anfänger. Ein Vollbad in Sünde und Laster, das war es, was sie jetzt brauchte.
Das Bad blubberte und duftete herrlich! Langsam ließ sie sich ins Wasser sinken. Ganz seidig fühlte sich das an, als das vornehme Gemisch sich wie ein Film aus sündigem Schmier um ihre Haut legte.
Draußen hörte sie die Klumpenmenschen freudig johlen.
Als ihr die Dämpfe zu Kopf stiegen, wurde Mimi duselig zumute. Sie schloss die Augen und verlor für einen Moment das Bewusstsein. Und wäre nicht zufällig Herr Katzenmann des Weges geschnurrt und hätte sie mit einem Tatzenhieb auf die Wange aufgeweckt, wäre die Madame wohl ertrunken.
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