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Donnerstag, 31. März 2011

liebesapfel oder: wie mimi sich die flausen aus dem kopf schlug.

Der Blick des rotgelockten Schönchens war glasig, als es sagte: „Mimi, wie werde ich eine Madame?“

Mimi betrachtete das Gesicht des Mädchens und lächelte vor Verzückung wie blöde über das Geschöpf, dessen Haar die Farbe von Fuchsfell hatte.

Sie saßen auf den Stufen einer der vielen Altherrenkneipen, die es im Hafen gab, und in denen vornehmlich einäugige und holzbeinige Kapitäne im Ruhestand verkehrten. Die Kneipe hatte geschlossen, es war noch früh. Mimi hatte das Schönchen auf dem Weg aufgegabelt, sie sammelte so gern hübsche Dinger wie dieses hier ein und schmückte sich eine Nacht lang mit ihnen.
Nun warteten sie hier und ließen sich von der Luft, einer frühlingsduftigen Brise, die Nasen kitzeln.

„Warum möchtest du eine Madame werden?“, fragte Mimi. „Du bist so ein reizendes Wesen.“

„Ich stelle es mir abscheulich verrucht vor!“

„Hm. Ich weiß nicht.“ Nachdenklich faltete Mimi die Stirn. Da saß dieses Kind, das sie mit seinen pinken, klebrigen Lacklippen und den kullerigen Glotzaugen ganz verrückt machte. Das Schönchen duftete nach Liebesäpfeln vom Jahrmarkt, zuckrig und ein wenig verbrannt, als hätte es zu nah am Feuer gestanden.

„Ich trage schon seit einem Jahr Schuhe mit hohen Absätzen, weil ich es doch so gern lernen will!“

Die Hafenmadame kicherte in ihre Hand hinein. Dann legte sie einen Finger unter das Kinn des Mädchens, zog es zu sich heran und sagte: „Gut. Ich verrate es dir.“ Sie setzte sich auf, drückte den Rücken durch, schlug die Beine übereinander und legte die Hände züchtig in den Schoß.

„Übertreibe.“

„Bitte?“

„Übertreibe, egal, was du tust. Wenn du gut und anständig sein willst, sei ganz Güte und Bescheidenheit. Sei Sonntagsbenehmen. Verlangt man von dir, verdorben zu sein, sei es ganz, sei dreckiger als die ältesten Huren im Hafen, sei hemmungslos, willenlos, sei Genuss und alles, was verboten ist. Übertreibe und vertreibe das Mittelmaß aus deinem Kopf. Das kleidet eine Madame nicht.“

Das Mädchen kauerte zu Mimis Füßen, die Ohren gespitzt, den Kopf in die Hände gestützt.

„Setz dich gerade hin, Schönchen! Bewahre immer Haltung, ein gerader Rücken wirkt Wunder!“ Mimi war eine sehr kleine Madame, darum betonte sie diesen Punkt gern.

„Ja, natürlich, Madame!“, sprach es und gehorchte. „Was muss ich sonst noch beachten?“

„Gute Frage. Eigentlich war das schon alles. Na, obwohl…“

„Ja?“

„Siehst du diesen Stock da unten auf dem Boden? Den knorrigen, vermoosten? Reich ihn mir bitte.“

Eifrig sprang das Liebesapfelschönchen auf, ergriff den Stock und reichte ihn Mimi mit einem Knicks.

„Danke. Und jetzt verbeuge dich, aber nicht zu tief.“ Kaum hatte das Kind den Blick gesenkt, um zu tun, wie ihm befohlen, haute Mimi zu. Tock, tock, tock, mit dem Stock auf das schöne Köpfchen.

„Aua!“, schrie das Mädchen und richtete sich mit einem Ruck auf. „Warum machst du das?“

„Na, ich muss dir doch die Flausen austreiben. Eine echte Madame ist flausenlos. Und am besten geht das, wenn man sie sich aus dem Kopf schlägt. Man muss das von Zeit zu Zeit wiederholen, die dummen Dinger kommen immer wieder. Hier, schau!“

Tock, tock, tock, klopfte sich Mimi mit dem Stock gegen die Stirn. Als ihr zwei glitzernde, klumpige Flausen aus dem rechten Ohr purzelten, machte das Schönchen: „Hui!“

„So. Jetzt hast du’s gesehen. Komm her und stell dich nicht so an.“

„Ich glaube, ich gehe jetzt lieber heim. Die Mutter hat Erbsensuppe gekocht und vielleicht bekomm ich nachher noch einen Pudding. Und meine Flausen würde ich gern noch ein Weilchen behalten, wenn’s recht ist.“

„Geh!“, sagte Mimi mit strenger Stimme und scheuchte das zuckermundige Kind von dannen. Als es außer Sichtweite war, grinste die Hafenmadame, hob die glitzerigen Flausenklumpen vom Boden auf und ließ sie ganz vorsichtig ins Ohr zurückplumpsen.

„Als ob ich so was Schönes je hergeben würde“, dachte sie und lachte.







4 Kommentare:

  1. Ach Herzchen. Wie toll ist das denn. Ich danke dir!

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  2. Ich bin die Flause. Ganz und gar. Ich bestehe nur aus Flausen und Fell. Weich und warm. Und will mich nie mehr aufgeben. Sollen doch andere die Welt retten. Ich rette lieber mich. Wenn die Welt flausenlos ist, dann möchte ich tot sein.

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  3. danke für schmerz und poesie... ♥ hochachtungsvoll, dein dir ergebener H.b.Durst...

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ich.

Mein Bild
Madame Mimi vom Hafen und ihre in Rum getränkten Lügengeschichten.