ihr.

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Freitag, 29. April 2011

himbeeren sind eine zier.

heute abend führt mich ein stattlicher kapitän ins autokino aus. darauf freu ich mich, auf ihn und sein schlachtschiff. zur feier des tages habe ich mir ein sträußchen himbeeren ans revers getackert.

das himbeersträußchen ist vom reizenden frollein von sofa



Sonntag, 17. April 2011

zuckerbrot und schimmelpeitsche.

Mimis Leben im Hafen war eine Aneinanderreihung von Episoden und Skandälchen, die heute, ach, das Herz in 1000 Stücke sprengten und morgen schon vergessen waren. Manches aber zog sich wie zähes Fleisch, wie Kaugummi. Ihre letzte Affäre war so etwas Zähes gewesen. Wollte nicht recht in Fahrt kommen, endgültig zerreißen aber auch nicht. „Das ist ja so zermürbend!“, fluchte die Madame oft und fürchtete, die Liebe zu dem geheimnisvollen Mann könnte ihr Falten ins Gesicht malen und ihre Visage bitter und hässlich machen. Doch irgendwann war es ihr gelungen, ihn sich aus dem Kopf zu prügeln. Und das ging so:

Sein Saft schmeckte scheiße, bitter und seifig. Mimi schüttelte sich. „Ich kann’s nicht schlucken“, dachte sie, allein der Gedanke daran ließ sie würgen. Er liebte es, wenn sie ihm die weiße Soße auf ihrer Zunge zeiget, er wurde fast verrückt, wenn sie ihr am Kinn runterlief, wenn sie in Mimis Mundwinkeln kleben blieb und er sie sauberlecken durfte. „So ein dreckiges Mädchen“, sagte er dann gerne und strich ihr die verschwitzten Strähnen aus dem Gesicht. Er meinte es liebevoll und das Herz der Madame gehörte ihm in Momenten wie diesen.

„Es geht trotzdem nicht. Und jetzt?“ Es auszuspucken verbot ihr der Anstand. Also behielt sie es im Mund, kroch hoch zu ihm, nahm sein Gesicht in beide Hände, küsste ihn und gab es ihm zurück. Er stöhnte und trank es, als wäre es Whiskey, und Mimi frage sich, warum es ihn nicht genauso anwiderte wie sie.

„Ich hab Durst“, maulte Mimi und stolperte nackt in die Küche. Sie musste diesen Geschmack loswerden, am liebsten hätte sie sich das Maul mit Seife ausgewaschen. Am Fenster blieb sie stehen und winkte dem alten Herrn von gegenüber, der gerade herüber sah. Er winkte zurück.

Sie nahm eine Flasche Wodka aus dem Schrank, zerquetschte eine verschrumpelte Orange, die sie in einem Korb fand, in einem Glas, goss den Alkohol auf das Zerquetschte, nahm einen Schluck und ging zurück ins Schlafzimmer.

„Hier, trink.

„Ich mag es nicht, dass du dich immer noch mit diesen Freiern einlässt.“ 

„Freier? Wen meinst du?“

„Diese Männer, mit denen du mitgehst.“

„Ach Liebster. Ich gehör doch nur dir.“ Mimis Stimme war ein Flüstern. „Weißte doch.“ Ihre Kinderhände in den Lederhandschuhen strichen über seine eingefallenen Wangen. Wie eine Katze schnurrend kletterte sie auf ihn und legte sich auf seinen Bauch. 

„Du kotzt mich an“, sagt er leise. „Verpiss dich.“ Und obwohl sie über seine Leidensmiene lachen wollte, darüber, wie er sich auf die Unterlippe biss, um allem noch mehr Dramatik zu verleihen, fühlte Mimi einen Stich.

Das Spiel war stets dasselbe. Irgendwie schaffte die Madame es immer, in eins der Fettnäpfchen zu treten, die er um sie herum aufgestellt hatte. Es ging gar nicht anders, der Fußboden war voll davon. Dann bestrafte er sie, in der rechten Hand die Peitsche, geflochten aus Vorwürfen, Abscheu und Begierde, das alte schwarze Ding, dessen Hiebe niemals sichtbare Spuren hinterließen. Erst, wenn sie nach Stunden, in denen er sie mit Worten gekränkt, mit Ignoranz und Ekel in den Augen verletzt hatte, mit rasendem Herzen und verheulter Visage in der Ecke lag, kniete er sich neben seine Geliebte und ihren Stolz, der nur noch ein kleiner, glühender Klumpen war, und sagte ihr, wie sehr er sie liebte. Er küsste Mimi und fütterte sie mit Zuckerbrot-Krümeln, bis sie dankbar und vollgefressen in seine Arme sank.

Aber heute nicht, etwas war anders. Es fühlte sich an, als sei die Madame dem Spiel entwachsen. So wie damals in der alten, der echten Welt, als sie beschloss, niemals wieder Gummitwist zu spielen.

„,Verpiss dich???’ Wie sprichst du denn mit mir?!“ Mimi vom Hafen war wütend.
Die Augen des Mannes waren vor Wut ganz schwarz und funkelten. Unter dem Bett lugte die Peitsche hervor. Seine Hände zuckten, doch Mimi lachte ihn aus. „Du bist erbärmlich. Sei doch mal ein Mann, verdammt!“

„Verpiss dich, hab ich gesagt!“, schrie er. 

Sie ignorierte ihn, stand auf, zog ihr Kleidchen an, die Schuhe, ging zu seinem Schrank, öffnete ihn und holte den dunkelgrünen Glitzerkarton heraus. Darin bewahrte er das Zuckerbrot auf. Hm. Oder das, was davon übrig war. Die Butter war schon ganz ranzig, die einstmals schönen, dicken Zuckerbrocken waren nur noch zu erahnen. Und da, in der Ecke… war das Schimmel? Mimi leckte vorsichtig am Brot, quiekte  und spuckte vor Ekel auf den Boden. Er glotzte sie an, seine Schläfen pulsierten, sein Atem ging schwer.

Das Madamchen setzte sich neben ihn auf die Bettkante, den Karton in der Hand.

„Ach Baby. Sei mir wieder gut.“ Doch er öffnete nur den Mund, um ihr seine Empörung entgegenzubrüllen. Für einen kurzen Moment war Mimi traurig. Dann griff sie in den Karton nach dem Zuckerbrot-Desaster und stopfte ihm damit das Maul.

Die Peitsche nahm sie mit.

Freitag, 15. April 2011

mari dalors nase.

Für Mimi waren Nasen immer schon wichtig gewesen. Vielleicht weil Gerüche und Düfte in ihrem Leben so eine große Rolle spielten. Ihre Augen waren nicht besonders gut und die Ohren so schlecht wie sie winzig waren. Auch ihr Gedächtnis war mäßig. Sich Gesichter oder Namen zu merken… ach herrje!  Aber nie vergaß Mimi, wie etwas oder jemand roch. Ihr Liebstes war es, mit gekräuselter Nase im Theater zu sitzen und zu schnüffeln. Dort roch es am besten auf der Welt.
Irgendwann war es ihr zur Gewohnheit geworden, auf die Nasen der anderen zu achten, ob die sich auch kräuselten oder sich rümpften, ob sie sich beim Sprechen mitbewegten oder steif herumstanden. „Ich habe wohl eine Art nasalen Fetisch“, dachte sich Mimi und fand das wahnsinnig exotisch.

Dieses Mädchen, das gerade an ihr vorbeigelaufen war, hatte die perfekteste Nase, die Mimi je untergekommen war. Sie war kurz und gerade, klein und dezent. Sehr unaufdringlich, und eigentlich fiel sie nur dadurch auf, dass sie so perfekt in dieses Puppengesicht passte. Es war eine Puppennase.

„Hallo Puppe, wart doch kurz!“, rief Mimi und lief dem Mädchen nach.

„Hallo. Ja bitte?“

„Ich wollte nur mal einen Blick auf deine Nase werfen, die ist ja wirklich ganz exquisit!“

„Oh, vielen Dank!“ Die Puppe kicherte.

Mimi kicherte auch und betrachtete die Fremde. Die passte aber mal so gar nicht in den Hafen. Während die Matrosen in ihren speckigen, ausgeblichenen Hosen und fleckigen Hemden herumliefen und die Mädchen von der Spätschicht Uraltkleidchen zur zerschlissenen Stola trugen, war die Puppe ganz in pastellfarbenen Chic gekleidet. Ihre Puppenfüße steckten in Männerschuhen, die zu groß waren und auf dem Kopf trug sie einen schwarzen Turban spazieren. Gewagt, dachte Mimi, und hätte sie eine Zahnlücke gehabt, hätte sie bewundernd hindurch gepfiffen.

„Wie heißt du, Püppchen? Und woher kommst du? Aus dem Hafen doch ganz sicher nicht.“

„Mari Dalor heiße ich“, sagte die Puppe. „Ich komme aus der Stadt und bin eine Modebeauftragte, Trends aufspüren ist mein Metier.“

„Mit so etwas kann man Geld verdienen?“

„Ja, sehr gut sogar. Ich bin so etwas wie ein Spürhund für die Modemacher.“

Die Puppenaugen blitzten und blinkten wie die Leuchtreklame vom Puff um die Ecke, und Mimi dachte, dass die Bezeichnung Spürhund so gar nicht zu diesem feinen Näschen passen wollte.

„Ich glaube, dass das Maritime bald wiederkommt, Streifen, Schlaghosen, viel Weiß, Blau, etwas Rot und so. Da wollte ich mich einmal vor Ort umschauen, wegen der Authentizität und dem ganzen Käse. Und du? Wer und was bist du?“

„Mein Name ist Mimi vom Hafen und ich bin… hm…“, Mimi räusperte sich, „… ich bin eine Nasenbeauftragte.“

Dann lachten beide und der Madame fiel auf, dass das Püppchen nach Abendsonne und Avantgarde duftete und das war fast noch schöner als seine sehr unaufdringlich perfekte Nase.


Die Puppe aus der Stadt, fotografiert von Fräulein valeska soel.


Dienstag, 12. April 2011

sie sagte immer, ich sähe aus wie sie.

ich scheiß aufs traurigsein. du warst da und das ist das, was zählt! ich trinke einen likör auf dich, liebes! lass es dir gutgehen.

Sonntag, 10. April 2011

selbstgerechte matrosen sollte man im kamin verbrennen dürfen.

sie hatte die stimme des matrosen aus der alten welt gehört, klar und deutlich. des matrosen, wegen dem sie nun hier im hafen lebte, dem exil für alle, die vor liebeskummer verrückt geworden waren. was er gesagt hatte, wusste sie nicht mehr, doch mimi fühlte, dass ihr mühsam geflicktes herz wieder einmal zu zerspringen drohte. nie zuvor hatte sie so sehr gehasst.
Draußen brennt's, wie schön das flackert! Könnte sie nur die Erinnerungen an den Matrosen ins Feuer werfen. Oder gleich den ganzen Matrosen mitsamt seinen Hochwasserhosen und seiner selbstgerechten Selbstverliebtheit. Ach... seufz.
 

Mittwoch, 6. April 2011

die verletzlichkeit heißt marianne.

Die Wirtin auf der anderen Seite des Tresens sah böse aus.

„Guck nicht so doof!“, schimpfte Mimi mit schwerer Zunge. „Oh, sieh mal, mein Oberteil ist ja runtergerutscht, na hoppla!“

„Zieh dich an, Mimi!“ Jetzt war es die Wirtin, die schimpfte. „Verdammt, wo soll das noch hinführen? Du kannst dich doch nicht so in aller Öffentlichkeit zeigen!“

„Wieso nicht?“ Mimi lallte. Verflixt noch eins, wie betrunken sie war!

Die Wirtin beugte sich zu ihr herüber, richtete Mimis Bluse, die über ihre Schulter gerutscht war, strich über die glühenden Wangen der Madame und sagte: „Armes Ding. Du darfst dich doch nicht jedem so offenbaren, zeig dich nicht so vor den Leuten. So halbnackt und verloren, das ist doch nicht gut.“

„Ach Wirtin. So etwas ähnliches habe ich heute schon einmal gehört. Ich solle meine Verletzlichkeit nicht so zur Schau stellen, das würde sich eines Tages an mir rächen. Aber was soll ich denn nur tun?“

Die Verletzlichkeit wohnte in Mimis Kopf, gleich hinter dem linken Auge. Dort hatte sie einst ein Zimmer bezogen, und wenn Mimi in sich hinein glotzte, was sie beizeiten gern tat, konnte sie sie sehen. Mimis Verletzlichkeit hieß Marianne und war Borderlinerin. Ein schwieriges Ding, das neonfarbene Haarbänder liebte und schrie, wenn ihm danach war. Marianne brauchte sehr viel Aufmerksamkeit. Wenn Mimi mit jemandem sprach, und sei es nur ein Plausch über das Wetter, brüllte Marianne so laut sie konnte, auf dass man sie bemerkte, winkte mit den grellen Schleifen, die sie sich zuvor aus den Locken gerissen hatte und trampelte so heftig auf, dass Mimi entkräftet aufseufzte. Manchmal kullerte eine Träne aus Mimis linkem Auge, meist dann, wenn Marianne vor Wut gegen ihre Zimmerwand getreten hatte. 

Die anderen sahen natürlich nicht, was im Kopf der Hafenmadame geschah, und manche dachten, dass Mimi ein sehr verletzliches Wesen sein musste. Viele fanden, dass ein solches Verhalten nicht zu einer Madame vom Hafen passen wollte und rügten sie deshalb. Andere wiederum fanden die Tränen und Seufzer besonders reizvoll.

„Ich kann’s aber auch keinem recht machen!“ Mimis Stimme klang wütend. Sie kramte in ihren Taschen, fand ein paar Münzen, die sie der Wirtin auf den Tresen knallte, und kletterte mit Wackelbeinen vom Barhocker.

„Noch ein Wort, Marianne, und du fliegst raus!“ schrie Mimi und ihre Stimme überschlug sich. Dann torkelte sie zeternd zur Tür hinaus. Die Wirtin schüttelte den Kopf. „Armes Ding.“


ich.

Mein Bild
Madame Mimi vom Hafen und ihre in Rum getränkten Lügengeschichten.