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Sonntag, 17. April 2011

zuckerbrot und schimmelpeitsche.

Mimis Leben im Hafen war eine Aneinanderreihung von Episoden und Skandälchen, die heute, ach, das Herz in 1000 Stücke sprengten und morgen schon vergessen waren. Manches aber zog sich wie zähes Fleisch, wie Kaugummi. Ihre letzte Affäre war so etwas Zähes gewesen. Wollte nicht recht in Fahrt kommen, endgültig zerreißen aber auch nicht. „Das ist ja so zermürbend!“, fluchte die Madame oft und fürchtete, die Liebe zu dem geheimnisvollen Mann könnte ihr Falten ins Gesicht malen und ihre Visage bitter und hässlich machen. Doch irgendwann war es ihr gelungen, ihn sich aus dem Kopf zu prügeln. Und das ging so:

Sein Saft schmeckte scheiße, bitter und seifig. Mimi schüttelte sich. „Ich kann’s nicht schlucken“, dachte sie, allein der Gedanke daran ließ sie würgen. Er liebte es, wenn sie ihm die weiße Soße auf ihrer Zunge zeiget, er wurde fast verrückt, wenn sie ihr am Kinn runterlief, wenn sie in Mimis Mundwinkeln kleben blieb und er sie sauberlecken durfte. „So ein dreckiges Mädchen“, sagte er dann gerne und strich ihr die verschwitzten Strähnen aus dem Gesicht. Er meinte es liebevoll und das Herz der Madame gehörte ihm in Momenten wie diesen.

„Es geht trotzdem nicht. Und jetzt?“ Es auszuspucken verbot ihr der Anstand. Also behielt sie es im Mund, kroch hoch zu ihm, nahm sein Gesicht in beide Hände, küsste ihn und gab es ihm zurück. Er stöhnte und trank es, als wäre es Whiskey, und Mimi frage sich, warum es ihn nicht genauso anwiderte wie sie.

„Ich hab Durst“, maulte Mimi und stolperte nackt in die Küche. Sie musste diesen Geschmack loswerden, am liebsten hätte sie sich das Maul mit Seife ausgewaschen. Am Fenster blieb sie stehen und winkte dem alten Herrn von gegenüber, der gerade herüber sah. Er winkte zurück.

Sie nahm eine Flasche Wodka aus dem Schrank, zerquetschte eine verschrumpelte Orange, die sie in einem Korb fand, in einem Glas, goss den Alkohol auf das Zerquetschte, nahm einen Schluck und ging zurück ins Schlafzimmer.

„Hier, trink.

„Ich mag es nicht, dass du dich immer noch mit diesen Freiern einlässt.“ 

„Freier? Wen meinst du?“

„Diese Männer, mit denen du mitgehst.“

„Ach Liebster. Ich gehör doch nur dir.“ Mimis Stimme war ein Flüstern. „Weißte doch.“ Ihre Kinderhände in den Lederhandschuhen strichen über seine eingefallenen Wangen. Wie eine Katze schnurrend kletterte sie auf ihn und legte sich auf seinen Bauch. 

„Du kotzt mich an“, sagt er leise. „Verpiss dich.“ Und obwohl sie über seine Leidensmiene lachen wollte, darüber, wie er sich auf die Unterlippe biss, um allem noch mehr Dramatik zu verleihen, fühlte Mimi einen Stich.

Das Spiel war stets dasselbe. Irgendwie schaffte die Madame es immer, in eins der Fettnäpfchen zu treten, die er um sie herum aufgestellt hatte. Es ging gar nicht anders, der Fußboden war voll davon. Dann bestrafte er sie, in der rechten Hand die Peitsche, geflochten aus Vorwürfen, Abscheu und Begierde, das alte schwarze Ding, dessen Hiebe niemals sichtbare Spuren hinterließen. Erst, wenn sie nach Stunden, in denen er sie mit Worten gekränkt, mit Ignoranz und Ekel in den Augen verletzt hatte, mit rasendem Herzen und verheulter Visage in der Ecke lag, kniete er sich neben seine Geliebte und ihren Stolz, der nur noch ein kleiner, glühender Klumpen war, und sagte ihr, wie sehr er sie liebte. Er küsste Mimi und fütterte sie mit Zuckerbrot-Krümeln, bis sie dankbar und vollgefressen in seine Arme sank.

Aber heute nicht, etwas war anders. Es fühlte sich an, als sei die Madame dem Spiel entwachsen. So wie damals in der alten, der echten Welt, als sie beschloss, niemals wieder Gummitwist zu spielen.

„,Verpiss dich???’ Wie sprichst du denn mit mir?!“ Mimi vom Hafen war wütend.
Die Augen des Mannes waren vor Wut ganz schwarz und funkelten. Unter dem Bett lugte die Peitsche hervor. Seine Hände zuckten, doch Mimi lachte ihn aus. „Du bist erbärmlich. Sei doch mal ein Mann, verdammt!“

„Verpiss dich, hab ich gesagt!“, schrie er. 

Sie ignorierte ihn, stand auf, zog ihr Kleidchen an, die Schuhe, ging zu seinem Schrank, öffnete ihn und holte den dunkelgrünen Glitzerkarton heraus. Darin bewahrte er das Zuckerbrot auf. Hm. Oder das, was davon übrig war. Die Butter war schon ganz ranzig, die einstmals schönen, dicken Zuckerbrocken waren nur noch zu erahnen. Und da, in der Ecke… war das Schimmel? Mimi leckte vorsichtig am Brot, quiekte  und spuckte vor Ekel auf den Boden. Er glotzte sie an, seine Schläfen pulsierten, sein Atem ging schwer.

Das Madamchen setzte sich neben ihn auf die Bettkante, den Karton in der Hand.

„Ach Baby. Sei mir wieder gut.“ Doch er öffnete nur den Mund, um ihr seine Empörung entgegenzubrüllen. Für einen kurzen Moment war Mimi traurig. Dann griff sie in den Karton nach dem Zuckerbrot-Desaster und stopfte ihm damit das Maul.

Die Peitsche nahm sie mit.

6 Kommentare:

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Madame Mimi vom Hafen und ihre in Rum getränkten Lügengeschichten.