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Dienstag, 12. Juni 2012

schamlos. eine phantasie mit eiern.

Der Tag neigte sich dem Ende zu. Die Sonne hatte sich wieder den filzigen Wolkenhut aufgesetzt, der Wind, der am Morgen noch ein Kitzeln war, pfiff nun wieder Marschmusik durch die Ritzen des windschiefen Hauses auf dem Erdhügel, und statt Limonade mit Eis trank die Madame vom Hafen Kaffee mit Zucker. Auf dem Teppich vor ihr lag Herr Katzenmann, ihr Mitbewohner-Kater, und leckte sich die Eier. Nun, zumindest sah es so aus. 

Mimi beobachtete den alten Herrn im Pelz und dachte, dass die Geräusche, die er von sich gab, schön heiser und schmatzig klangen. Herrn Katzenmanns Schamlosigkeit war einzigartig. Wie er da rücklings mitten in der guten Stube lag und sich unter Keuchen die Kronjuwelen schleckte… ein Seufzer tropfte aus Mimis rechtem Mundwinkel. Porno. Punk. Fast schon Anarchie.

„Wäre die Schamlosigkeit des Katers ein Kuchen, ich würde mir gern ein Stückchen davon abschneiden, es zerkrümeln und über mein wohlerzogenes Seelchen bröseln, das sich so gern hinter Etikette und verhuschtem Liebreiz versteckt“, sinnierte Mimi vor sich hin.

„Meine Schamlosigkeit wäre grenzenlos. Schamlos und verschwenderisch würde ich mit Gefühlen um mich werfen, würde jedem Menschen, der mein Herz höher schlagen lässt, meine Liebe gestehen, mein Herz für einen einzigen geraubten Kuss verscherbeln und verschachern, würde mich nicht der Krokodilstränen schämen, die manchmal aus den Edding-Augen tropfen und aus mir einen Emo-Waschbären machen.
Schamlos schamlos wäre ich. Würde meine Perversionen ausleben, meine Fetische zelebrieren, Mädchen lieben, Knaben küssen, Orgien feiern, Pornostarlet und Spielzeug sein, Nutte, französisches Au-Pair-Mädchen, Hündchen. 

Ich wäre schamlos scheiße. Würde dem Mädchen mit den Kulleraugen den Erdbeerlolli aus der Hand klauen und der Kulleräugigen dann die Zunge rausstrecken. Würde mit den Wimpern klimpern und dabei auf blutigen Spitzenschuhen über Leichen tanzen, um schneller an mein Ziel zu kommen.“

Die Madame legte den Zeigefinger auf die Lippen und machte „Hm.
Schamlos ehrlich wäre ich nicht, dazu lüge ich zu gern. Aber jede Sünde würde ich bis zum Kotzen ausreizen, wäre hochmütig und eitel, raffgierig, rachsüchtig und maßlos, bis ich mich irgendwann selbst in die Luft jagen würde, weil ich es keine Sekunde länger mit mir aushielte.“

Herr Katzenmann hatte sich inzwischen neben seine Mitbewohnerin gesetzt und glotzte sie mit Schlafzimmeraugen an. 

„Hast du dir grad eigentlich die Eier geleckt, Herr Katzenmann?“ 

„Nein“, fauchte dieser beleidigt. „Schon mal was von Körperpflege gehört?“ Abfällig mustert er Mimis abgekaute Nägel mit dem abgesplitterten Nagellack darauf.

„Du bist ja kastriert. Du hast gar keine Eier mehr!“ Mimi lachte laut auf.

Ganz langsam drehte Herr Katzenmann sich zu ihr um, so nah, dass seine Schnurrhaare Mimis Nase kitzelten. Dann fetzt er ihr mit einem Schlag die Krallen ins Gesicht. Die Hafenmadame schrie auf. „Du Drecksvieh! Ich blute!“
Und während sie ihm zeternd die Pest an den Hals wünschte, stolzierte der alte, bepelzte Herr mit hoch erhobenem Schwanz von dannen. Als er majestätisch um die Ecke bog, hörte Mimi ihn lachen. Schamloses Biest.

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Mein Bild
Madame Mimi vom Hafen und ihre in Rum getränkten Lügengeschichten.